Mein Cello stammt von dem Geigenbauer Hans Neuner, der Anfang des 20. Jahrhunderts Direktor der Mittenwalder Geigenbau-Manufaktur Neuner&Hornsteiner und des zugehörigen Instrumentenhandels in Berlin war. Es ist nicht mit Sicherheit nachvollziehbar, wann das Instrument gebaut wurde und ob Hans Neuner tatsächlich der Erbauer oder lediglich der Verkäufer des Cellos war. Es könnte ebenso ein Instrument aus dem Besitz der bekannten Geigenbauerfamilie sein, das von einem der Vorfahren Hans Neuners gebaut wurde, da der Zettel keine Jahreszahl aufweist. Die verwendete Schriftart (Würzburger Fraktur) und das Lichtdruckverfahren des Zettels grenzen zumindest dessen Entstehung auf ca. 1906-1917 ein. Es ist belegt, dass Hans Neuner vor und um 1920 einen Großteil der alten Familieninstrumente verkaufte – als Folge des Ersten Weltkriegs, der internationalen Handelsauflagen gegen Deutschland und der starken Währungsschwankungen in den Nachkriegsjahren wohl aus finanziellen Gründen. Ein zeitgenössischer Bericht über Neuner und den Mittenwalder Geigenbau im amerikanischen The Music Magazine von August 1922 liefert hierzu weitere Einblicke. Von der Bauweise und der Lackierung lässt sich ein Alter von bis zu 140 Jahren vermuten. Ein Reparaturzettel von 1929 aus Berlin grenzt die Entstehungszeit nach oben deutlich ein.
Das Cello wurde jahrelang nicht gespielt und befand sich in einem kritischen Zustand – teilweise vom Lack befreit, Hals und Korpus voneinander getrennt, bereits geöffnet und am Rücken mehr schlecht als recht teilrepariert. Die Decke war jedoch praktisch rissfrei und der Hals mit der sehr schön gearbeiteten Schnecke war ebenfalls unbeschädigt erhalten. 2017 wurde der Rücken, der durch den Ursprungsschaden und vorangegangene Reparaturversuche stark in Mitleidenschaft gezogen war, durch eine dem Original nachempfundene, jetzt allerdings einteilige Kopie ersetzt. Diese Restauration wurde vom Geigenbaumeister Matthias Weiken aus Detmold durchgeführt, der auch den teilweise fehlenden Lack an den Zargen dem ursprünglichen Erscheinungsbild entsprechend erneuert hat. Durch diese Arbeiten hat das Instrument insgesamt eine deutliche Aufwertung erfahren. Besonders der erneuerte Rücken eröffnet neue Klangpotenziale.
Mein altes neues Instrument zeichnet sich bereits jetzt durch einen charakteristischen schmelzenden Klang und eine sehr große Anpassungsfähigkeit an unterschiedlichste Auftrittssituationen aus. Es prägt mit seiner edlen Wärme den Klang einer ganzen Stimmgruppe im Orchester. Als Soloinstrument erlaubt es sowohl das kraftvolle Ausspielen hochdynamischer Passagen wie auch die detaillierte Ausführung zarter Pianostellen. Immer wieder überrascht es beim täglichen Spielen mit neuen klanglichen Nuancen und Farbenspielen. Wie ein guter Wein wird es sich sicherlich in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln und mich durch mein angestrebtes Musikstudium begleiten.